Bei Behandlungsfehlern besser gleich zum Anwalt
Nur begrenzte Unterstützung durch Kassen: Bei Behandlungsfehlern besser gleich zum Anwalt
Die gesetzlichen Krankenkassen haben laut Gesetz auch die Aufgabe, ihre Versicherten zu unterstützen, wenn diese einen Behandlungsfehlers vermuten. Eine aktuelle Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen zeigt jedoch die Grenzen dieses Anspruchs auf (Az. L 16 KR 432/22).
Im konkreten Fall ging es um einen Mann Ende 50. Dieser hatte sich einer Beschneidung unterzogen, nachdem die Ärzte bei ihm eine Vorhautverengung diagnostiziert hatten. Im Nachgang allerdings vermutete er, dass der Eingriff nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausgeführt worden war und bat seine Krankenkasse, die AOK Niedersachsen, um Hilfe.
Verdacht auf Behandlungsfehler: Was leistet der MDK?
Seiner Meinung nach war die Beschneidung medizinisch bereits nicht notwendig gewesen, da er in seinem Fall gar keine Vorhautverengung vorgelegen habe. Vielmehr hätte histologische Befund eine Pilzinfektion ergeben.
Seit der zu Unrecht durchgeführten Operation leide er zudem unter Impotenz, Erektions- und Ejakulationsstörungen sowie Schmerzen im Operationsbereich. Dies habe bei ihm zu Depressionen geführt. Eine Therapeutin, die er aus diesem Grund aufsuchte, attestierte ihm denn auch eine „Anpassungsstörung nach Penisoperation mit konsekutiver Erektionsstörung“.
Der Mann führte gegenüber der Kasse an, wieder ein funktionsfähiges und schmerzfreies Geschlechtsteil erlangen zu wollen, notfalls durch Transplantation einer funktionsfähigen Ersatzvorhaut. Zudem beabsichtige er Schmerzensgeld einzuklagen und Strafanzeige wegen Körperverletzung zu stellen.
Die Krankenkasse gab daraufhin ein Gutachten beim Medizinischen Dienst (MDK) in Auftrag. Das Ergebnis war jedoch nicht im Sinne des Versicherten. Es besagte, dass eine Beschneidung keine Impotenz auslösen kann.
Der Patient verlangte daraufhin ein weiteres Gutachten und die Vernehmung seiner Frau als Zeugin für sein Vorbringen. Als die Kasse diesem Wunsch nicht nachkam, klagte er – allerdings ohne Erfolg.
Keine Recherchen zugunsten des Versicherten
Das LSG entschied, dass die Kasse ihrer gesetzlichen Hilfspflicht durch Einholung des Gutachtens genügt habe. Der Unterstützungsanspruch für gesetzlich krankenversicherte Menschen ziele lediglich darauf ab, diesen die Beweisführung bei einer etwaigen Rechtsverfolgung zu erleichtern. Entsprechend seien die Leistungen regelmäßig auf die Verschaffung von Auskünften über die vom Arzt gestellten Diagnosen, die angewandte Therapie, die Namen der Behandler, die Anforderung ärztlicher Unterlagen von der Behandlung und die Begutachtung durch den MD beschränkt.
Weitergehende Gutachten, eine Zweitmeinung oder die Vernehmung von Zeugen seien hingegen nicht vorgesehen. Insbesondere treffe die Krankenkasse keine Pflicht zu einem initiativen Recherchieren zu Gunsten des Versicherten.
Kommentar von Jürgen Wahl, Fachanwalt für Medizinrecht in Alzenau:
So erfreulich es ist, dass der MDK für gesetzlich versicherte ein kostenloses Gutachten erstellt – in der Praxis reichen diese oft nicht aus, um erfolgreich gegen Ärzte oder Kliniken zu klagen. Wer fürchtet, Opfer eines Behandlungsfehlers geworden zu sein, tut daher gut daran, von Anfang an die Unterstützung eines spezialisierten Anwaltes in Anspruch zu nehmen, der sich gezielt dafür einsetzt, die Interessen seiner Mandanten durchzusetzen.