Patient erhält 50.000 Euro wegen mangelhafter Aufklärung über Alternativen
Mangelhafte Aufklärung über Behandlungsalternativen: Patientin erhält 50.000 Euro Schmerzensgeld
Menschen sind keine Maschinen, die sich reparieren lassen. Eine erfolgreiche Behandlung gesundheitlicher Probleme kann daher vielfach auf unterschiedliche Weise erfolgen.
„In diesen Fällen müssen Patienten von ihrem Arzt oder ihrer Ärztin jedoch ausführlich darüber aufgeklärt werden, welche Methoden sich anbieten und welche Chancen und Risiken sie jeweils bergen“, sagt Jürgen Wahl, Fachanwalt für Medizinrecht in Alzenau.
Fehlt es an einer solchen Aufklärung, bedeutet das, dass sich der Patient bei seiner Entscheidung für (oder gegen) eine bestimmte Therapievariante nicht auf eine ausreichende Faktengrundlage stützen konnte. Führt die Behandlung dann nicht zu den erhofften Erfolgen, kann dem Betroffenen Schadenersatz und Schmerzensgeld zustehen.
Bandscheibenvorfall: Nicht immer muss operiert werden
So war es auch in einem Fall, den vor Kurzem das Oberlandesgericht (OLG) Hamm zu entscheiden hatte (Az. 26 U 36/23). Im konkreten Fall ging es um den Fall einer 58-jährigen Frau, die seit vielen Jahren von Rückenschmerzen geplagt wurde.
Eine MRT-Aufnahme zeigte, dass ihre Bandscheibe im Bereich LW4/5 weitgehend degeneriert war. Zudem litt die Frau u.a. unter Wirbelgleiten.
Um die Beschwerden zu lindern, unterzog sich die Patientin im Jahr 2016 einer operativen Wirbelkörperversteifung im Segment LW 4/5. Die Operation verlief reibungslos, allerdings entwickelte die Frau im Nachgang des Eingriff Schmerzen im Iliosakralgelenk und klagte über Fehlempfindungen und ein Kribbeln in den Beinen.
Weitere bildgebende Verfahren zeigten, dass die Ursache für die Beschwerden eine falsch liegende Schraube war. Daraufhin riet man der Patientin zu einer weiteren Operation.
Die Patientin folgte der Empfehlung, allerdings blieben die Beschwerden auch nach dem Revisionseingriff bestehen, so dass ein dritter chirurgischer Eingriff und weitere Behandlungsmaßnahmen erforderlich wurden.
Da die Beschwerden gleichwohl anhielten, erhob die Frau Haftungsklage gegen mehrere Behandler und rügte diverse Behandlungs- und Aufklärungsfehler- mit Erfolg.
Kein Behandlungsfehler, aber mangelhafte Aufklärung
Zwar verneinte das OLG Hamm einen Behandlungsfehler. Der Senat sprach der Patientin aber dennoch ein Schmerzensgeld von 50.000 Euro zu, da die Frau vor den Eingriffen nicht ordnungsgemäß über die Möglichkeit aufgeklärt worden sei, nicht zu operieren und stattdessen eine konservative Behandlung durchzuführen.
Bei seiner Entscheidung stützte sich das Gericht auf die Aussagen eines Sachverständigen. Demnach waren die beiden Operationen zwar medizinisch vertretbar. Es habe aber auch eine gute Alternative in Form einer konservativen Therapie bestanden. Diese hätte zwar keine Aussicht auf Heilung, wohl aber auf Beschwerdelinderung geboten, und zwar für mehrere Jahre.
Aus diesem Grund hätte eine umfassende Abwägung zwischen operativer und konservativer Behandlung erfolgen müssen, zumal eine operative Versteifung der Wirbelsäule typische Risiken wie etwa häufig Folgeoperationen beinhalte.
Da die Patientin über diese Möglichkeit nicht hinreichend informiert worden war, stand ihr auch ohne Behandlungsfehler Schmerzensgeld in der genannten Höhe zu.